Am Montag, dem 24. Januar 2022, wurde gegen die Abgeordnete Päivi Räsänen und den Bischof Dr. Juhana Pohjola ein Verfahren vor dem Amtsgericht Helsinki eingeleitet. Bei der mehr als achtstündigen Anhörung wurden die Anklagepunkte verlesen, die Staatsanwältin und die Verteidiger stellten den Fall aus ihrer Sicht vor, die Beweise wurden erörtert, und schließlich wurden die Angeklagten Räsänen und Pohjola angehört. Der Prozess wird am 14. Februar 2022 mit der Abgabe der Schlussaussagen fortgesetzt.
Frau Räsänen kam mit der Bibel in der Hand durch die Türe des Amtsgerichts. Ihr zufolge sei es die Bibel, die jetzt vor Gericht stehe. Staatsanwältin Anu Mantila bestritt dies und betonte in ihrer langen Einleitungsansprache, dass die Bibel und ihre Auslegung sowie theologische Fragen nicht im Gerichtssaal diskutiert würden. Verwirrend war aber, dass gerade die Staatsanwältin selbst immer wieder auf biblisch-theologische Fragen zurückgriff und die Angeklagten mit denen herausforderte.
– Wenn die Bibel auf gewisse Art und Weise interpretiert wird und die dementsprechenden Meinungen unter der Vorwand der Religionsfreiheit veröffentlicht werden, kann dies ein Verbrechen sein, betonte Mantila.
Räsänens Anwalt Matti Sankamo wies darauf hin, dass, wenn das Gericht über die Bibel, die Frau Räsänen direkt zitiert hatte, urteilt, werde der Richter zur Theologie und zur Interpretation der Bibel sehr wohl Stellung nehmen. Die Verteidigung von Frau Räsänen bestritt vehement, dass Homosexuelle unter dem Deckmantel der Bibel verachtet und beleidigt würden.
– Dies ist in Finnland das erste Strafverfahren, in dem den Angeklagten vorgeworfen wird, gegen eine Gruppe von Menschen aufgehetzt zu haben in einem Text, der ausdrücklich zur Achtung dieser Minderheit aufruft, erklärte Sankamo.
Bischof Juhana Pohjola und Mitglied des Parlaments Päivi Räsänen warten auf den Prozessbeginn vor dem Gerichtssaal.
Bischof Pohjola sagt, er sei vom Inhalt des Prozesses und von der Argumentation der Staatsanwaltschaft überrascht. Wenn die Argumente der Staatsanwältin vor Gericht akzeptiert würden, bedeute dies eine enorme Veränderung der Meinungs- und Religionsfreiheit.
– Laut der Staatsanwältin dürfe die Bibel zitiert werden, aber das dürfe man nicht als eigene Meinung geltend machen, wenn das Zitat diskriminierend sei. Darüber hinaus interpretiert sie die Rede von Sünde, Gebrochenheit und Unnatürlichkeit als abfällige und beleidigende Sprache. Schließlich lehnt die Staatsanwältin die Unterscheidung zwischen dem Wesen des Menschen und seiner Taten ab. Ihrer Meinung nach könne die Unterscheidung, danach ”Gott den Sünder liebt, aber die Sünde hasst”, die sie als fundamentalistisch-christlich abstempelt, nicht akzeptiert werden. Unsere Meinungs- und Religionsfreiheit steht bei diesen Forderungen auf dem Spiel, betont Pohjola.
– Das Wort der Bibel ist keine freischwebende Zitatensammlung, sondern es muss gemeinschaftlich und individuell bekannt und aus den Kanzeln und in Publikationen verkündet werden. Auch dessen aktuelle Auslegung gehört dazu. Die Rede von Sünde, Scham und Unnatürlichkeit mindert nicht den Wert des Menschen, sondern, im Gegenteil, unterstreicht seinen Wert als Verantwortlicher für die eigenen Handlungen sowie die zerbrochene Beziehung des Menschen zu Gott. In der Tat wäre es geistlich diskriminierend, einem Menschen die ganze Botschaft Gottes von der Sünde und der Gnade in Christus nicht zu verkünden. Außerdem muss zwischen dem Wert des Menschen und der Bewertung seines Handelns unterschieden werden. Es ist für uns unveräußerlich sagen zu dürfen, dass Gott den Sünder liebt, obwohl er die Sünde, die den Menschen zerstört, nicht gutheißt.
Das von Päivi Räsänen geschriebene Heftchen „Er schuf sie als Mann und als Frau“ (link to english translation of the pamflet), darum es unter anderen Punkten im Prozess geht, ist eben durch diesen Prozess sehr populär geworden. Die Ausgabe vom Jahr 2004 des Artikels ist längst vergriffen, aber die elektronische Version war zuerst auf der Website der Luther-Stiftung zum Herunterladen bereit und erschien später auf der Internetseite der Missionsdiözese.
Im Zusammenhang mit dem Prozess wurde das Heftchen auch als Artikel auf der Nachrichtenseite der Internetseite der Missionsdiözese veröffentlicht. Dadurch sollte der Text den Lesern, die ungern ganze Dateien herunterladen, leichter zugänglich gemacht. Sami Niemi, der Redakteur der Internetseite der Mission, ist von der Popularität des Artikels überrascht.
– Der Artikel ist wirklich vielfach heruntergeladen worden. Er wurde auf Finnisch mehr als 8.000 Mal und auf Englisch mehr als 2.400 Mal geöffnet. Als eine PDF-Datei wurde das Heftchen in der letzten Woche fast 2.000 Mal heruntergeladen. Der Prozess hat tatsächlich einen kleinen und relativ unbedeutenden Teil unseres kirchlichen Lehrmaterials mit Wucht in die Öffentlichkeit gebracht. Ich hoffe, dass zumindest einige der Leser auch unser weiteres Unterrichtsmaterial gefunden haben, wie etwa die rund 9.000 Predigten zum Anhören oder unsere Unterrichtswebseite luterilainen.net.
Der Prozess beschäftigt seit langem auch die ausländischen christlichen Medien. Die Strafverfolgung und das Gerichtsverfahren wurden von CNE News, CBN, Christian Today, Christianity Today und Evangelical Focus genau verfolgt. Die Sorge um die Einschränkung der Religions- und Meinungsfreiheit wurde auch von verschiedenen Kirchen und christlichen Organisationen mit den finnischen Christen geteilt.
Der Prozess hat den Fall auch in die Nachrichtenströme der großen Mainstream-Nachrichtensender BBC, Reuters, Euronews, The Independent, The Federalist und Daily Wire gebracht.
Der Internationale Lutherische Rat und viele seiner Mitgliedskirchen haben den Prozess zur Kenntnis genommen und ihre Gemeinden aufgefordert, sich im Gebet an die Situation zu erinnern.
– Wir sind dankbar für die Unterstützung unserer Schwesterkirchen und möchten auch allen Fürbittern in Finnland danken. Der Prozess dauert noch an. Daher bitten wir Christen in Finnland und auf der ganzen Welt, weiterhin für den Prozess zu beten, sagt Bischof Pohjola.