Der Prozess gegen Ärztin Päivi Räsänen, Mitglied des finnischen Parlaments und ehemalige Innenministerin, und den Bischof der Finnischen Evangelisch-Lutherischen Missionsdiözese, Dr. Juhana Pohjola, begann am 24. Januar 2022 am Amtsgericht Helsinki. Der Fall hat ein großes Interesse in in- und ausländischen Medien geweckt, was sich in der Zahl der anwesenden Medienvertretern widerspiegelte, als die Angeklagten eintrafen.
Die Bezirksstaatsanwältin Maija Päivinen verlas die Anklage wegen Volksverhetzung gegen Räsänen und Pohjola. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat Bischof Pohjola sich an diesem Verbrechen schuldig gemacht, indem er die Schrift von Päivi Räsänen „Er schuf sie als Mann und Weib – Homosexuelle Beziehungen fordern das christliche Menschenbild heraus“ öffentlich zugänglich gemacht hatte, weil laut der Staatsanwaltschaft in dieser Veröffentlichung die Homosexuellen als Gruppe wegen ihrer sexuellen Orientierung beleidigt würden. Bestimmte Äußerungen seien diskriminierend und überschritten die Grenzen der Meinungs- und Religionsfreiheit.
Die Bezirksstaatsanwältin Päivinen fordert in der Anklageschrift die Entfernung bestimmter Passagen aus der Veröffentlichung und eine Geldstrafe in mindestens 120 Tagessätzen für Räsänen und in 60 Tagessätzen für Pohjola. Darüber hinaus forderte die Staatsanwaltschaft vom Herausgeber der ernannten Schrift, der Finnischen Luther-Stiftung, als entscheidungsbefugter juristischen Person eine Geldstrafe von mindestens 10.000 Euro.
Bischof Pohjola bestreitet, das Verbrechen der Volksverhetzung begangen zu haben.
– Es ist aufregend, am ersten Prozess teilzunehmen, aber ich freue mich auch darauf, dass die Angelegenheit endlich juridisch behandelt wird. Wir werden nicht nur das Wort Gottes verteidigen können, sondern auch das Recht auf freie Meinungsäußerung. Und die wollen wir nicht dazu benutzen, um jemanden zu beleidigen oder unter Druck zu setzen, sondern um von Gott, der ist gut, und von seinem Willen erzählen.
Die Vorladung der Abgeordneten Päivi Räsänen enthält zusätzlich zwei Punkte wegen einer im Juni 2019 veröffentlichten Tweet-Nachricht und einer Debatte im Finnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk YLE im Dezember 2019. In einer Pressemitteilung vom 20. Januar 2022 stellt sie fest:
– Gelassen warte ich auf die Behandlung. Ich berufe mich auf die Meinungs- und Religionsfreiheit, die in der finnischen Verfassung und in internationalen Verträgen verankert sind. Ich weiche nicht von meinem biblischen Glauben ab und bin bereit, die Meinungs- und Religionsfreiheit vor allen nötigen Gerichten zu verteidigen.
– Ich bestreite, an irgendeinem Fehlverhalten die Anklagepunkte betreffend schuldig worden zu sein. Meine Aussagen, die jetzt untersucht werden, beziehen sich auf die traditionelle Lehre der Bibel und der christlichen Kirchen über die Ehe, das Leben als Mann und Frau und insbesondere auf die Lehre des Apostels Paulus über homosexuelle Handlungen, die gegen den Willen Gottes stoßen. Die Lehren der Bibel entspringen nicht aus dem Zorn gegen irgendeine Gruppe von Menschen, sondern aus der Liebe zum Besten des Nächsten.
Laut dem Strafverteidiger von Bischof Pohjola, dem Rechtsanwalt Jyrki Anttinen, habe die Staatsanwalt in der Vorladung die Aussagen von Päivi Räsänen aus ihrem Zusammenhang entrissen. Die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft sei selektiv und keineswegs objektiv. Der Text sei nicht ausgelegt unter Berücksichtigung der Grundsätze der Meinungs- und Religionsfreiheit, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention und die finnische Verfassung geschützt werden. Ideologische und wissenschaftliche Unterschiede seien kein vom finnischen Rechtssystem anerkannter Grund, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
In Pohjolas vorläufiger Antwort heißt es, dass Frau Räsänens Schreiben in keiner Weise bedrohlich, diffamierend oder beleidigend sei. Es verzichtet auf jede abfällige Wortwahl. Es ist zwar erwähnenswert, dass die christliche Vorstellung von Mensch, Sünde und Ehe an sich jemanden beleidigen kann, aber das Schreiben selbst beabsichtigt nicht, die Würde eines Menschen in Frage zu stellen oder ihn zu erniedrigen.